Mittwoch, 24. Juli 2013

"Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden!" - Mark Twain

Nach einer Woche eher bedrückter Stimmung und ständig Achterbahn fahrender Emotionen, Hader und Selbstzweifel habe ich gestern Morgen beschlossen, einen Selstversuch zu wagen: Was passiert eigentlich, wenn wir tatsächlich einfach mal daran glauben, das Glück auf unserer Seite zu haben? Wenn wir nicht jede Kleinigkeit in Bezug auf unsere Persönlichkeit und Ausstrahlung hinterfragen?
Besonders für nachdenkliche Menschen wie mich klingt das jetzt wohl erstmal verrückt, ja, geradezu unmöglich. Wie bitte soll man aufhören zu denken?
Ich glaube, das Geheimnis ist, dass es gar nicht darum geht, aufzuhören zu denken. Vielmehr müssen wir versuchen,  bestimmte Gedanken aus dem Kopf zu verbannen wie unerwünschte Gäste aus dem eigenen Haus. Anstelle also zu denken "Die Männer hupen und pfeifen mir hier alle nur hinterher, weil ich blond bin.", verstehe ich solche Situationen ab sofort als Kompliment und wenn ich dennoch auf dumme Gedanken komme, singe ich im Kopf ganz laut "Pretty Woman", bis ich mich gut fühle.
Sicher werden jetzt Einwände folgen, dass man sich doch keinen Schwachsinn einreden solle, weil man letztendlich ohnehin nur enttäuscht werde. Ich verstehe diesen Einwand, häufig genug habe ich schließlich auch so gedacht. Aber warum wollen wir uns das Leben unnötig schwer machen? Wer sagt denn, dass man(n) uns nicht Aufmerksamkeit schenkt, weil wir attraktiv und liebenswert sind? Und vor allem: Wenn wir es erstmal glauben, dann werden wir es tatsächlich auch, weil selbstbewusste, lebensfrohe Menschen einfach eine andere Ausstrahlung haben als sich selbst bedauernde Jammerlappen (, die wir ohne Zweifel jeder mal waren). Letztere haben daher i.d.R. ein großes Problem: Obwohl sie gerade in dieser Verfassung ein positives Feedback von außen mehr als nötig hätten, ist es für sie besonders schwierig, gut bei ihren Mitmenschen anzukommen. Denn erstens sind uns lächelnde Menschen meistens sympathischer als mürrische. Und zweitens - und das ist meines Erachtens das Ausschlaggebende - bemerken wir positive Rückmeldungen von außen nicht mehr richtig, wenn wir schlecht drauf sind, sondern steigern uns in unser Leid. Kein Wunder also, dass an vermeintlich "schlechten" Tagen auf einmal ALLES schief zu laufen scheint! Wir beschwören es ja geradezu herauf!
Ab sofort werfe ich also alle ungebetenen Gäste aus meiner Gedankenwelt und ganz plötzlich geht es mir wieder blendend! Die Patientinnen auf meiner Station behandeln mich wie ihren Schutzengel und bedanken sich bei mir dafür, dass ich sie geheilt habe - obwohl ich aus medizinischer Sicht kaum etwas dazu beigetragen habe! - , vier junge Internisten wollen mit mir Salsa tanzen gehen, und auf einmal werde ich ständig für mein Spanisch gelobt. Die Königsberger Klopse, die ich koche, machen so süchtig, dass alle sich dreimal bei mir bedanken und nach dem Rezept fragen.
Das Einzige, was daneben geht, ist die rote Grütze, weil ich kein vernünftiges Puddingpulver im Supermaxi finde. Doch die improvisierte warme Fruchtsoße aus Brombeer- und Erdbeerkonzentrat, Wasser, Himbeeren, Erdbeeren und Flan-Instant-Pulver kommt auch super gut an: Ich habe noch nicht mal alle Tassen ins Esszimmer gebracht, da rufen Juan und Emilio schon wie aus einem Munde "Colada Morada!" und ich denke, dass das jetzt nicht wahr sein kann. Denn Colada Morada ist ein typisches ecuadorianisches Getränk, dass hier nur zum Allerseelentag getrunken wird. Im Spanischunterricht haben wir einmal einen Vortrag über den Día de los Difuntos gehalten und mehr oder weniger vergeblich versucht, dieses spezielle Getränk zuzubereiten. Und jetzt schmeckt meine rote Grütze fast genauso!
Warum ich das so ausführlich beschreibe? Eine (und wohl mitunter die wichtigste) Erkenntnis, die mich mein Aufenthalt in Ecuador gelehrt hat, ist, dass es gar nicht so schlimm ist, wenn die Dinge gänzlich anders laufen als geplant. Ganz im Gegenteil: Häufig offenbaren sich durch Zufälle, die unsere Pläne über den Haufen werfen, wirklich positive Überraschungen. Wenn man sie nur zulässt... Am schönsten hat Goethe das einmal gesagt: "Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, lässt sich Schönes bauen!"
Ich weiß, dass wir aus hormontechnischen Gründen nicht immer glücklich sein können. Aber mir ist inzwischen auch klar, dass wir uns Tage, an denen wir tatsächlich glücklich sein KÖNNTEN, häufig durch eine negative Grundeinstellung gründlich vermiesen. Warum stehen wir also unserem eigenen Glück im Weg, anstatt jedem Tag einfach die Chance zu geben, der schönste unseres Lebens zu werden?


mein Arbeitsplatz

Blick von meiner Station

auf der Dachterasse vom Krankenhaus


comida típica alemana


cuy = Meerschweinchen




typisches Brot-Pferd des Día de los Difuntos





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