Montag, 13. Mai 2013

„Was wäre das Leben, hätten wir nicht den Mut, etwas zu riskieren?“ -Vincent van Gogh


Wie ging es nun mit meiner Reiseplanung weiter?
Von Anfang an stand für mich fest: Ich wollte unbedingt auch nach Kolumbien, um Ana zu besuchen. Als ich meinen Eltern von meinen Plänen berichtete, waren sie schwerbegeistert. Meine Mutter hatte erst wenige Tage zuvor eine Reportage über eine kolumbianische Mafia-Gruppierung, die gezielt Touristen verschleppt, um Geld zu erpressen, im Fernsehen gesehen. Mein Vater erinnerte sich an Klassenkameraden, die vor Jahren in Mexiko – einem ähnlich heißen Pflaster – entführt und umgebracht worden sind. Außerdem hielten beide Ana mit ihrer südländischen Mentalität für unzuverlässig. Sie sollten Recht behalten, denn auf meine nächsten e-Mails an Ana, deren Betreff ich sogar aus Verzweiflung „DRINGEND!“ nannte, erhielt ich keine Antwort. Als ich im Februar zwei Monate lang nichts von Ana gehört hatte, beschloss ich die Sache abzuhaken, auch wenn mich das sehr betrübte.

In der Zwischenzeit hatte ich mich bereits um ein fünfwöchiges Pflegepraktikum in Quito über Praktikawelten beworben und eine ausführliche Reiseroute durch Ecuador und Perú ausgearbeitet (s. Karte). Bei Explorer Fernreisen in Hannover buchte ich meine Flüge und erschrak: In fast vier Monaten bin ich WIRKLICH unterwegs! Mutterseelenallein! Drei Monate lang! In Ländern, deren Sprache ich kaum brüchig mächtig bin!

Stopp! Jahre lang hast du davon geträumt und jetzt packt dich auf einmal die Angst?! Es hat nie jemand behauptet, dass reisen, erwachsen werden oder leben einfach wäre. Und schon gar nicht alles gleichzeitig. Also reiß dich gefälligst zusammen!

Dies zu begreifen, hat fast zwei Monate gedauert. Dann stürzte ich mich endlich mit Eifer an die weitere Planung. Ich verschlang meine Reiseführer förmlich bei der Recherche nach Vulkantrekkings, Regenwaldtouren, Inka-Trail-Wanderungen, Backpacker-Hostels und allem, was sonst noch so wichtig ist. Dabei machte ich kleine Paradiese für kleines Geld ausfindig, wie z.B. meine voraussichtliche Unterkunft in Máncora (14€ ÜF im Doppelzimmer, unglaublich!): http://kimbasbungalowsmancora.com/
(Weitere Links findet ihr im Menü unter „nützliche Links“)
Ich beantragte meine erste VISA-Karte, damit ich auf meiner Reise auch nicht darben muss, ein polizeiliches Führungszeugnis für meine Organisation, um zu belegen, dass ich auch nichts verbrochen habe, und buchte schließlich eigenständig einen weiteren Flug – nach Kolumbien.
Nach vier Monaten Funkstille habe ich es nämlich absolut nicht mehr ausgehalten und Ana angerufen. Es stellte sich heraus, dass sie wegen defekten Internets, Servers oder was auch immer meine e-Mails nie erhalten hat. Als ich ihr erzählte, dass ich für drei Monate nach Ecuador und Perú komme, meinte sie, ich müsse unbedingt auch Kolumbien sehen, es werde mir definitiv gefallen. Außerdem warten sie und ihre Eltern schon die ganze Zeit auf mich...
Ohne irgendjemandem davon zu erzählen (ich bin davon ausgegangen, dass meine Eltern die Wände hochgehen), habe ich letzte Woche meinen Flug von Quito nach Cali gebucht, damit ich Ana fünf Tage lang besuchen kann.
Dank meiner durch Aufregung und Vorfreude bedingten Quasselstrippenlaune wissen es inzwischen doch alle. Meine Eltern haben meine Entscheidung mit erstaunlich viel Fassung getragen.


Für alle, die wie ich gerade in einer Um- und Aufbruchstimmung und daher ein bisschen verunsichert sind oder Angst vor dem Neuen haben hier ein kleiner Mutmacher:
Der Song ist von Phil Collins aus dem Film „Bärenbrüder“ und hat mir sehr dabei geholfen, Mut zu fassen loszulassen.


Deutscher Songtext:

Sag allen hier ich bin unterwegs.
Es gibt so viel Neues zu seh’n.
Der Himmel ist blau, ich bin unterwegs
und ich möchte gar nicht anderswo geh’n.

Sag allen hier, ich bin unterwegs
und ich liebe jeden kleinen Schritt.
Und die Sonne, sie strahlt,
ich bin unterwegs,
dieses Lächeln geht stets mit mir mit.

Denn ich weiß genau, das wir uns
bald wieder seh’n,
egal wie weit entfernt wir auch sind.
Und ihr lacht, wenn ihr Geschichten
von uns hört -
Oh, mein Herz so warm berührt.

Sag ihnen, ich bin unterwegs,
neue Freunde und Orte in Sicht.
Ich schlaf ein unter den Sternen,
die viel erzähl’n,
und der Mond wacht ganz still
über mich.

Weder Regen noch der Schnee hält
mich zurück,
die Sonne scheint bald, du wirst seh’n.
Und der Wind begleitet mich und singt
ein Lied und ich sing mit,
lässt mich immer, immer weitergeh’n.

Ich bin unterwegs!
Es gefällt mir!
Ich bin unterwegs!

Ich bin unterwegs!
Ich bin unterwegs!
Ich bin unterwegs!

Sag allen hier, ich bin unterwegs
und ich sehn mich so nach dem Ziel.
Der Himmmel ist blau, ich bin unterwegs,
gemeinsam erleben wir viel.

Komm, sag allen hier, ich bin unterwegs,
diesen Weg nach Haus find ich eh.
Die Sonne, die strahlt, ich bin unterwegs
und alles wird gut, du wirst seh´n.

Ich bin unterwegs!
ich bin unterwegs!

Samstag, 4. Mai 2013

Unverhofft kommt oft!


Eigentlich habe ich schon lange davon geträumt, nach dem Abitur für eine längere Zeit ins Ausland zu gehen. Das Fremdartige und Exotische hat mich schon immer anzogen und seit Jahren bin ich mit meinen Eltern (und auch allein) in Länder wie Südafrika, Indien, Thailand, Indonesien, die USA und China gereist. Am reizvollsten fand ich stets die Erfahrungen, die mir einen tieferen Einblick in andere Lebenswelten und Mentalitäten verschafft haben.
Leider erhält man auf Busgruppenreisen, auf denen alle Touri-Highlights und „kulturellen Höhepunkte“ eines Landes abgeklappert werden, von ebendiesen Erfahrungen herzlich wenige. Für mich stand schon lange fest: Irgendwann möchte ich wirklich mal ein nicht-europäisches (oder -angloamerikanisches) Land kennenlernen. Seine Einwohner  kennenlernen und damit meine ich nicht nur seine Angestellten der Tourismusbranche. Ihre Kultur und Mentalität erleben, nicht nur kulturelle Sehenswürdigkeiten und für Touristen zurechtgeschnittene Kultur-Shows besuchen, die so authentisch sind wie dirndeltragende Bierzeltkellnerinnen auf dem hannoverschen Oktoberfest.
Eine zündende Idee hat mir allerdings gefehlt.

In der zehnten Klasse lernte ich dann Ana kennen, eine Austauschschülerin aus Kolumbien, die ein Jahr lang in meiner Straße wohnte. Ana erzählte mir viel von ihrer Heimat und da ich noch nie in Südamerika war, machte mich das wahnsinnig neugierig auf mehr. Im gleichen Jahr begann ich, Spanisch zu lernen. Meine Spanischlehrerin ist Ecuadorianerin und schwärmt ebenfalls häufig nostalgisch von ihrem Land. Sie ist erst seit knapp 15 Jahren in Deutschland, was man nicht nur an ihrem Dialekt sondern erstaunlicherweise auch an durch die andere Mentalität bedingten Missverständnissen erkennt. In meinen drei Jahren Spanischunterricht musste ich also des Öfteren ganz anders denken, als ich das gewöhnt war, um bestimmte Aufgaben lösen zu können. Das hat meinen Horizont erweitert und mich auch häufig meine eigene norddeutsch-kühle, pessimistisch angehauchte Einstellung zum Leben hinterfragen lassen.
Wir sollten im Spanisch-Unterricht einmal einen Reisebericht zu unserer imaginären Reise nach Ecuador schreiben. Das war das erste Mal, dass ich mich intensiver mit diesem kleinen Land am Äquator auseinandergesetzt habe. Dem Land mit der angeblich zweitgrößten Artenvielfalt in Flora und Fauna weltweit. Dem Land, das schon Alexander von Humboldt um 1800 bereist und bestaunt hat. Dem Land mit dem höchsten aktiven Vulkan der Welt, dem Cotopaxi. Dem Land, das die Galápagos-Inseln beheimatet. 
Mein Reisebericht, laut welchem ich die Gassen Quitos in lauer Abendstimmung erkundet, in den heißen Quellen von Baños gebadet und an der Schneegrenze des Cotopaxi übernachtet hatte, sollte eine selbsterfüllende Prophezeiung werden.

Vor einigen Monaten wurde dem Abi-Buch-Gestaltungskomitee meines Jahrgangs fälschlicherweise ein Katalog von der Organisation Praktikawelten zugeschickt. Auslandspraktika und Freiwilligenarbeit weltweit. Als ich den Katalog aufschlug, landete ich zufälligerweise in Ecuador – bei einem Humanmedizinpraktikum... Wie heißt es so schön – unverhofft kommt oft!