Die Rolle der FARC-EP im bewaffneten Konflikt Kolumbiens
Die Rolle der FARC-EP im bewaffneten Konflikt Kolumbiens
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Die Rolle der FARC-EP im bewaffneten Konflikt Kolumbiens
Die Rolle der FARC-EP im bewaffneten Konflikt Kolumbiens
Einleitung
Guten Morgen! Erst mal möchte ich euch
erzählen, wie ich auf mein Vortragsthema gekommen bin. Ich bin diesen Sommer
drei Monate durch Lateinamerika gereist und habe dort unter anderem meine
Freundin Ana in Kolumbien besucht. Kolumbien hat mir sehr gefallen,
insbesondere die Fröhlichkeit und Unbeschwertheit seiner Einwohner. Eigentlich
ein Wunder, denn in Kolumbien herrschen seit Jahrzehnten kriegerische
Auseinandersetzungen. Seit wir uns kennen, hat Ana mir Einiges von den FARC,
einer terroristischen Guerilla-Gruppe erzählt, die für so viele Verschleppungen
und Morde verantwortlich ist. Der bewaffnete Konflikt hat in den letzten 50
Jahren mehrere Millionen Binnenvertriebene und über 200 000 Todesopfer
gefordert.
Das Thema hat mein Interesse geweckt und ich
habe begonnen, auf eigene Faust darüber zu recherchieren. Dabei bin ich sehr
schnell auf eine junge Holländerin, Tanja Nijmeijer gestoßen, die vor einigen
Jahren Mitglied der FARC geworden ist. Aber warum wird eine 24-jährige
politisch links ausgerichtete Niederländerin Mitglied einer Terrororganisation?
In diesem Vortrag möchte ich euch näher
bringen, wie kontrovers die Rolle der FARC im bewaffneten Konflikt in Kolumbien
zu sehen ist.
Entstehung der FARC-EP
Um den Konflikt in Kolumbien besser zu
verstehen, müssen wir ein gutes halbes Jahrhundert in die Vergangenheit sehen.
In den 50er Jahren herrschten in Kolumbien blutige Auseinandersetzungen
zwischen Kampfgruppen der beiden größten Parteien, der liberalen und der
konservativen Partei. Eine der ausschlaggebendsten Ursachen war die Ermordung
des linksliberalen Präsidentschaftskandidaten Jorge Eliecer Gaitán, der
Reformen zu einer Neustrukturierung der Besitzverhältnisse auf dem Land
zugunsten der Kleinbauern geplant hatte. Im Rahmen der sogenannten Violencia
(deutsch: Gewalt) wurden über 1 Mio. Bauern von ihren Ländereien vertrieben und
enteignet. Die meisten Regionen wurden unter Großgrundbesitzern neu aufgeteilt
und viele der geflohenen Bauern in den Städten zu Billiglohnarbeit in der
boomenden Industrie gezwungen. Im Rahmen dieser Missstände gründeten einige
Bauern Guerillagruppierungen, u.a. die FARC, die heute größte
Guerilla-Organisation Lateinamerikas ist.
Die Ziele vieler Guerilla-Gruppen waren neben
der ruralen Selbstverteidigung die Errichtung eines sozialistischen Staates
durch eine Revolution. Insbesondere durch die gelungene Revolution in Kuba 1959
gewannen die FARC und andere Gruppierungen großen Zulauf.
Dazu muss man wissen, dass die Politik Kolumbiens
damals bis heute auf einem Zweiparteiensystem beruhte, das zwar eine
demokratische Verfassung besaß, jedoch eher einer Oligarchie entsprach. Die
wichtigen Positionen wurden stets von Mitgliedern der kolumbianischen Elite
besetzt, die seit der Unabhängigkeit Kolumbiens im 19. Jahrhundert bestand. Daher
war es für ärmere Bevölkerungsschichten damals so gut wie unmöglich, sich an
der Politik zu beteiligen.
1964 wurden die FARC zwar von der
kolumbianischen Armee mit Unterstützung der USA niedergeschlagen, wurden aber
trotzdem attraktiver für Studenten, Arbeiter, junge Lehrer und Bauern. Unter
der Führung von Manuel Marulanda übten die FARC ab 1967 erstmals gezielte
Anschläge auf die kolumbianische Armee aus. Außerdem begannen sie, Entführungen
als politisches Druckmittel zu nutzen.
In den 1980er Jahren begannen auch Drogenbauern,
sich den FARC anzuschließen, die damals ca. 20 000 Mitglieder hatten. So
eröffnete sich für die FARC ein neues Geschäft zur Selbstfinanzierung: Die
Drogenbauern wollten ohne Risiko ihre Arbeit ausführen und engagierten deshalb
FARC-Guerilleros als Bodyguards. Mit der Zeit gewannen die FARC auf diese Weise
auch die Kontrolle über die großen Drogenkartelle Kolumbiens und begannen
schließlich sogar, selbst Koka anzubauen.
Rolle im bewaffneten Konflikt
Die FARC bekämpfen sich seit ihrer Entstehung
nicht nur mit der kolumbianischen Armee, sondern vor allem mit rechtsorientierten
paramilitärischen Gruppierungen. Diese arbeiten teils im Auftrag der Politik
und sind dennoch genauso für Anschläge auf die Zivilbevölkerung verantwortlich
wie die FARC. Auch sie finanzieren sich teilweise durch das Drogengeschäft. Dazu
werden sie teilweise von der kolumbianischen Armee und von Großunternehmern
unterstützt. Letztere bezahlen die Paramilitärs zur Vertreibung von Einwohnern
der aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten interessanten Regionen.
Die größte paramilitärische Organisation waren
die AUC (Autodefensas Unidas de Colombia – deutsch: Die vereinigten
Selbstverteidigungskräfte Kolumbiens) mit ebenfalls bis zu 20 000 Mitgliedern.
Offiziell gibt es die AUC seit 2006 nicht mehr, da unter Kolumbiens ehemaligem
Präsidenten Álvaro Uribe ein großer Prozess zur Aufdeckung paramilitärischer
Verbrechen lief. Im Rahmen dessen gaben die Mitglieder paramilitärischer
Gruppierungen ihre Waffen ab und sollten zurück in das zivile Leben
eingegliedert werden. Allerdings bestanden viele paramilitärische Gruppen
einfach unter neuen Namen weiter. Bis heute sollen die Paramilitärs etwa 1/3
der wichtigen kolumbianischen Politiker „gekauft“ haben, um ihre Interessen
weiterhin ungestört und ungestraft verfolgen zu können. Die paramilitärischen
Gruppen ziehen vor allem junge, großenteils ungebildete Männer an, da sie mit
einem Traumgehalt von umgerechnet 500 US$ im Monat vielversprechende
Perspektiven bieten.
Im Zuge des Plan Colombia 1999 hat auch die
Rolle der kolumbianischen Armee im bewaffneten Konflikt an Bedeutung gewonnen.
Der Plan Colombia war ein Regierungsprogramm des damaligen Präsidenten Andrés
Pastrana. Er ermöglicht der Armee bis heute polizeilich im Inneren tätig zu
sein. Der Plan Colombia sollte vor allem der Bekämpfung der Drogenkriminalität
durch die Besprühung der Drogenanbaugebiete mit Pestiziden dienen. Die USA
unterstützten die Umsetzung des Plan Colombia durch die Lieferung von
Hubschraubern, Waffen und anderer militärischer Mittel im Wert von 3,7 Mrd.
US$.
Wegen der korrupten Beziehungen zwischen Armee
und Paramilitärs werden allerdings fast nur Anbaugebiete der FARC und anderer
Guerillagruppen besprüht. Die Folgen sind Gesundheits- und Umweltschäden in den
betroffenen Gebieten bis über die Landesgrenzen hinaus. So verursachte die
Besprühung von Kokapflanzen im Grenzgebiet zu Ecuador ein angespanntes
Verhältnis zwischen beiden Ländern. Daneben bestehen ohnehin schon Spannungen
zwischen Kolumbien und seinen Nachbarländern, da es im bewaffneten Konflikt
zwischen den Guerilla-Gruppierungen, den Paramilitärs und der kolumbianischen
Armee immer wieder zu Auseinandersetzungen auf nicht-kolumbianischem
Territorium kam.
Nicht zu vernachlässigen ist auch die Rolle
der Massenmedien. In den letzten Jahrzehnten wurden vor allem die FARC und
andere Guerillagruppen für all die Missstände in Kolumbien verantwortlich
gemacht, die Schuld der Paramilitärs hingegen wurde häufig verharmlost
dargestellt und die meisten Mitglieder kamen ungestraft davon. Ganz zu schweigen
von der Korruption einiger Regierungsmitglieder.
Gescheiterte Friedensverhandlungen 1984 und 1998
1984 kam es erstmalig zu einem
Waffenstillstand zwischen den FARC und der kolumbianischen Armee. Aus den unter
Präsident Belisario Betancur durchgeführten Friedensverhandlungen ging eine
neue Partei einiger FARC-Mitglieder hervor, die versuchen wollten, ihre Ziele
auf legalem Wege zu erreichen. Die Unión Patriótica (Patriotische Union) wurde
1986 für legal erklärt. Im gleichen Jahr erlangte ihr Präsidentschaftskandidat
bereits 4,5% der Stimmen.
Die Ziele waren im Gegensatz zur
Gründungszeit der FARC nicht mehr vom Wunsch nach einer Revolution und
sozialistischen Gesellschaft geprägt, vielmehr wollte die Unión Patriótica
einen tatsächlich demokratischen, nicht-oligarchischen Staat Kolumbien mit
sozialer Gerechtigkeit. Sie setzte sich u.a. für die Umsetzung einer
Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Judikative sowie Pressefreiheit ein. Des
weiteren plante sie wirtschaftliche und soziale Reformen zugunsten der ärmeren
und diskriminierten Bevölkerungsschichten, z.B. der indigenen Bevölkerung, die
damals noch nicht die gleichen Rechte besaß wie die Eliten europäischer
Abstammung.
Die Unión Patriótica gewann schnell an
Zuspruch in der Bevölkerung. Trotzdem wurden in den folgenden Jahren 2000-5000
Mitglieder und Sympathisanten mit wichtigen Funktionen systematisch von
Paramilitärs getötet. Auch das kolumbianische Militär soll eine
Teilverantwortung für diesen politischen Genozid tragen.
Unter Präsident Andrés Pastrana kamen sich
Regierung und FARC 1998 erneut näher und nahmen die Friedensverhandlungen
wieder auf. Im Rahmen dieser wurde den FARC ein 40000km2 großes Gebiet zur
freien Verfügung zugesprochen, auf dem auch die Verhandlungen stattfanden. Da
die FARC den vereinbarten Waffenstillstand kontinuierlich verletzten, brach der
Präsident die Gespräche ab und ließ das Militär in die von den FARC besetzten
Gebiete einmarschieren.
Aktuelle Friedensverhandlungen
Seit einem guten Jahr ist die kolumbianische
Regierung erneut ins Gespräch mit den FARC getreten. Um alte Fehler zur
vermeiden finden die Friedensverhandlungen diesmal auf neutralem Boden in
Norwegen und aktuell in Havanna statt. Man hat sich auf fünf Verhandlungspunkte
geeinigt, nämlich:
1. Agrarpolitik und ländliche Entwicklung
2. Politische Teilhabe der FARC
3. Demobilisierung und Ende des Konflikts
4. Lösungen zur Drogenproblematik
5. Wahrheitsfindung und Opferentschädigung
2. Politische Teilhabe der FARC
3. Demobilisierung und Ende des Konflikts
4. Lösungen zur Drogenproblematik
5. Wahrheitsfindung und Opferentschädigung
Erst wenn über alle Punkte eine Übereinkunft
getroffen wird, können sie auch beschlossen werden. Die ersten drei Punkte
wurden bereits verhandelt. Den FARC sollen Abgeordnetensitze im Parlament zur
Verfügung gestellt werden. Außerdem sollen konfliktreiche, dünn besiedelte
Regionen in Zukunft besser in das politische Geschehen eingegliedert werden.
Aktuell wird über mögliche Lösungen des Drogenproblems diskutiert.
Ob die FARC mit ihren Zielen nach der
kriegerischen Vergangenheit heute noch Zuspruch in der Bevölkerung finden,
bleibt fraglich. Einer Telefonumfrage zufolge befürworten nur noch knapp die
Hälfte aller Kolumbianer die Fortsetzung der Friedensverhandlungen. Allerdings
kann die Stichhaltigkeit dieser Daten ebenfalls in Frage gestellt werden, wenn
man berücksichtigt, dass nur ein gutes Drittel aller Kolumbianer überhaupt ein
Telefon besitzt.
Um nun auf die Ausgangsfrage zurückzukommen:
Tanja Nijmeijer ist den FARC beigetreten, nachdem sie bei einem Praktikum an
einer Dorfschule in Kolumbien tagtäglich mit der sozialen Ungerechtigkeit in
Kolumbien konfrontiert wurde. Um sich für die sozial benachteiligten armen
Bevölkerungsschichten einzusetzen wurde sie Mitglied der FARC.
In einem Interview mit BBC sagte sie:
„I didn’t choose to use violence. I chose doing politics in a
country where doing politics implies violence.“
Und über diese Aussage möchte ich nun mit
euch diskutieren. Inwiefern ist es möglich, in einem korrupten Entwicklungsland
wie Kolumbien Politik zu gestalten, ohne dabei Gewalt anzuwenden?
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