Gestern sind Alex, Gabe, Stine, Hope und ich auf den Pichincha, den Hausberg Quitos (4690m), gewandert. Ein wunderschöner sonniger Tag in einer grandiosen Landschaft - was wünscht man sich mehr? Aber es kam noch besser: Auf halbem Weg treffen wir vier Chinesen aus Peking, die sich wahnsinnig darüber freuen, dass ich sie auf Chinesisch anspreche. Damit ist das Sprachen-Chaos endgültig perfekt! Aber keine Angst, ich schreibe weiterhin auf Deutsch. ;-) Wir machen Fotos und noch mehr Fotos, wie das nun mal so ist mit den meisten Chinesen (einer von ihnen scheint für seine Fotos sogar regelmäßig sein Leben zu riskieren - jedenfalls lag er mehrmals seeeeeeeeeeeeeeeehr dicht am Abgrund!). Ich gebe ihm meine e-Mail-Adresse, damit er mir die Bilder schicken kann. Dann stürmen wir den Gipfel! Obwohl man eigentlich nicht vom Stürmen sprechen kann. Vielmehr kämpfen wir uns im Schneckentempo nach oben, denn auf einer Höhe von 4500m bekommen wir den Sauerstoffmangel mal wieder ordentlich zu spüren. Dafür haben wir genug Zeit, die bizarre aber erstaunlicherweise reiche Vegetation am Wegrand zu bewundern. Gänseblümchen im Großformat, gelb und orange blühende Büsche, von weichem Moos und Flechten überzogene Felsen, die wirken wie große grüne Sitzkissen und in der Tat auch so bequem sind. Es war sicher eine der schönsten Wanderungen, die ich je gemacht habe.
Als wir nach 7 Stunden wieder an der Bergstation der Gondel ankommen, wird mir auf einmal wahnsinnig schlecht. Klar, ich habe ja gerade mal einen Liter Wasser getrunken! Ich möchte auf schnellstem Wege nach Hause und in mein Bett. Leider erwartet uns zu Hause eine weitere Überraschung: Eine Verwandte feiert bei uns ihren Kindergeburtstag, deshalb schreien bestimmt 10 Grundschulkinder ohne Unterbrechung durchs Haus und ich bekomme kein Auge zu. Tatsächlich scheinen ecuadorianische Kinder viel lauter zu sein als deutsche, so laut, dass ich kurz überlege, eine Aufnahme mit meinem Handy zu machen, weil mir das sonst keiner glauben würde. Letztendlich bin ich aber viel zu fertig und schlafe auch trotz des Lärms wenigstens für 45 Minuten ein.
Am nächsten Morgen bin ich wieder putzmunter und fit. Erst gehen wir mit Hope, die heute leider schon nach Hause fährt, frühstücken, dann treffe ich mich kurzfristig mit Cecilia, der Cousine meiner Spanischlehrerin, die ich noch nicht kenne. Sowas wie ein Blind Date also. ;-) Cecilia holt mich bei meiner Gastfamilie ab und wir fahren zu ihr nach Hause, zum Valle de los Chillos. Als wir in der Gated Community ankommen, in der sie wohnt, bin ich erstmal total überwältigt. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass es so viele verhältnismäßig reiche Ecuadorianer gibt! Mein Eindruck bestätigt mich noch mehr, als wir zur größten und schönsten Mall (in neokolonialister Architektur), in der ich jemals war, fahren und dort eine Viertelstunde (!) nach einem Parkplatz suchen. Ich glaube, Ecuador ist wirklich stark auf dem aufsteigenden Ast. Wie auch immer, wir kochen zusammen ein typisch ecuadorianisches Mittagessen, dessen Zutaten wir auf einem einheimischen Markt einkaufen. Normalerweise essen die Ecuadorianer die Suppe aus 12 verschieden Mais- und Getreidesorten nur in der Semana Santa. Ich fühle mich sehr geehrt, sie trotzdem probieren zu dürfen. Endlich verbringe ich Zeit mit einer richtig ecuadorianischen Familie, die bis auf die "Kinder" nur Spanisch spricht. Juan, der 25-jährige Sohn studiert im letzten Semester Medizin und möchte dann in der Psychatrie arbeiten, was ich wahnsinnig interessant finde. Wir stellen fest, dass wir die gleichen Sprachen lernen - Deutsch, Englisch, Spanisch und Chinesisch! ¡Que coincidencia! Sowieso fühle ich mich in der Familie pudelwohl und werde sie sicher noch mehrmals besuchen, nicht zuletzt um mit Juan und seinen Freunden endlich mal auf eine typisch ecuadorianische Party mit Salsa und Reggaeton zu gehen. Am liebsten würde ich ewig bleiben, auch wenn es langsam anstrengend wird, den ganzen Tag lang auf Spanisch zu kommunizieren. Aber das ist schließlich der beste Weg, eine Fremdsprache zu lernen! Als ich um halb neun nach Hause komme, ist bis auf Emilio, den jüngsten Sohn, Stine, Alex und Gabe niemand da. Es herrscht eine bedrückte Stimmung. Stine begrüßt mich im Flüsterton und informiert mich darüber, dass Rocios Vater gestorben ist und alle anderen im Krankenhaus sind. Wie seltsam, denke ich. Im Wohnzimmer hängt noch teilweise die Dekoration vom Kindergeburtstag und ich höre noch immer die ausgelassenen Kinderstimmen jauchzen. Und trotzdem wirkt alles auf einen Schlag so verändert. Emilio sitzt mit Alex auf der Treppe, trinkt ab und zu einen Schluck Cola und schluchzt. Ich setze mich kurz dazu, dann gehe ich an den Computer, um keinen allzu großen Rummel um das traurige Ereignis zu machen.
Ja, das Lebem ist wie eine endlose Reise voller positiver und negativer Erlebnisse, voller Menschen, die kommen und gehen. Doch Eines wird uns immer bleiben - unsere Erinnerung.
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