Mittwoch, 30. Oktober 2013

Tena


20. August

Aus dem angenehm kühlen Baños fahren wir heute in den Dschungel nach Tena. Je weiter wir gen Osten gelangen, desto merklicher beschlagen die Scheiben des Busses und desto mehr Kleinhändler preisen an den Haltestellen gekühlte Getränke an. Nach etwa vier Stunden haben wir unser Ziel erreicht. „Das ist doch gar kein richtiger Dschungel“, beschwert sich Marvin, als wir in der Hauptstadt der Provinz Napo aus dem Bus steigen. Der Einwand ist nicht ganz unberechtigt, denn das staubige, graue Tena sieht auf den ersten Blick so aus, als sei es innerhalb der letzten dreißig Jahre aus dem Boden gestampft worden. Viel zu viele schäbige Hostels ziehen sich an der Hauptstraße entlang, sie wirken ausgestorben, was kein Wunder ist in dieser hässlichen, bedrückend heißen Gegend. Wir steigen in das nächstbeste Taxi und lassen uns zu unserer Pension, dem Casa Blanca, fahren, das Gott sei Dank ein bisschen außerhalb liegt. Und erleben eine Überraschung: Offenbar erwartet uns die amerikanische Besitzerin Michelle nämlich schon, als wir an der Tür stehen. Kurios, denn ich habe gar keine Reservierung gemacht! 
Nach großer Verwirrung stellt sich erst abends heraus, dass sie uns augenscheinlich für einen anderen Gast gehalten hat, der aber verhindert und daher doch nicht angereist ist...
Das Casa Blanca ist jedenfalls ein absoluter Glückstreffer. Jerry ist Tourguide und berät uns bei unserer Planung eines Dschungeltrips. Die Pension ist erst ein paar Monate jung und entsprechend bemüht ist die Familie um ihre Gäste – Jerry lädt uns erst mal für heute Abend zum Hotdogs essen ein.

Nachdem wir uns aller überflüssigen Kleidung entledigt haben, laufen wir zu Fuß in das eigentliche Zentrum Tenas. Dazu überqueren wir zunächst die Landebahn eines alten Flughafens, die mich in einen inspirierenden Gedankenfluss bringt. Ich stelle mir vor, wie es hier wohl vor 50 Jahren ausgesehen haben mag – ein kleiner Ort mitten im Urwald, der womöglich als Ausgangsort für Dschungelexpeditionen genutzt wurde. Ich denke an die alten kleinen sepiafarbenen Propeller-Flugzeuge mit ihren doppelten Flügeln. An die Naturforscher mit ihren Notizbüchern mit Ledereinband, in denen seltene Pflanzen noch aufgezeichnet wurden. Eine Zeit ganz ohne Internet und Handy. Wie schön... Manchmal wünschte ich, ich wäre früher geboren worden.
Bei unserem kleinen Stadtrundgang stelle ich fest, dass Tena irgendwie doch etwas hat mit seiner städtischen, aber verschlafenen Atmosphäre und der mit bunten Vögeln verzierten Fußgängerbrücke, die über einen der vielen Flüsse hier in der Gegend führt. In Kombination mit der schwülen Hitze ergibt alles ein in sich stimmiges Bild. Eine Stadt, die mich zum Phantasieren anregt, warum auch immer.

Gegen sechs Uhr abends laufen wir zurück zum Casa Blanca und machen uns frisch für unsere Essenseinladung. Als Michelle uns die Tür zu ihrem Haus öffnet, stehen wir gleich direkt in der Küche mit ihrer Mutter, die gerade einen leckeren Karottenkuchen fertig macht, und den beiden Töchtern, die wild herumtoben. Wir helfen, draußen den Tisch zu decken. Jerry entfacht ein Lagerfeuer, über dem wir unsere Würstchen und später Marshmallows grillen. Und wieder fühlt es sich ein bisschen an wie in einer anderen Zeit, auch wenn es damals wohl noch keine Marshmallows und Hotdogs gab. Aber der rauchige Geruch, das knisternde Feuer und das Zirpen der Grillen in dieser lauen Nacht sind bereits ein Vorgeschmack auf unser Dschungelabenteuer. Und schließlich sind wir doch traurig, dass heute unser einziger Tag in Tena ist.












Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen