12. August, 5:30 Uhr.
Nach einer so gut wie schlaflosen Nacht kommen wir viel früher
als erwartet in Puerto Lopez an der ecuadorianischen Pazifikküste an.
Schlaftrunken steigen wir in eine Autorikscha und lassen uns zu unserem Hostel
bringen. Obwohl es noch dunkel ist, fühlt sich die Luft mild und ein bisschen
feucht an und riecht nach Fisch. Das Hostel wird nur durch einen kleinen
Schotterweg vom Sandstrand mit vielen bunten Fischerbooten getrennt. Die
bläuliche Morgendämmerung erfüllt diesen verlassenen Ort mit einer romantischen
Stimmung. Das einzige Problem: das halbe Dutzend bellender Hunde, die sich
gegenseitig am Strand jagen, und vor allem der riesige kläffende Köter, der
direkt unter der Klingel des Hostels angeleint ist. Da auch noch kein Licht
brennt, beschließen wir, uns erst mal in eine Hollywood-Schaukel aus Holz zu
setzen und zuzusehen, wie es heller wird. Aber bald fallen uns vor Müdigkeit
beinahe die Augen zu, weshalb Marvin schließlich doch einen Versuch wagt, an
dem riesigen Hund vorbeizukommen. Der Hund jault noch ein bisschen, doch
offenbar scheint an dem Spruch „Hunde, die bellen, beißen nicht“ etwas dran zu
sein.
Als ich gegen zehn in unserem Himmelbett wieder aufwache,
weiß ich erst gar nicht, wo ich bin. Plötzlich fällt mir alles wieder ein.
Puerto Lopez. Mit Marvin. Am 12. August!! Klar, heute müsste ich Bescheid
bekommen haben, wo ich studiere! An anderen Tagen wäre ich wohl noch liegen
geblieben, doch jetzt springe ich aufgeregt auf, um erst mal den
W-LAN-Schlüssel zu besorgen. Leider scheint die Internet-Verbindung aber gerade
nicht zu funktionieren, sodass unser erster Ausflug in Puerto Lopez ins
nächste Internetcafé führt.
Wir schlendern die Straße neben der Uferpromenade entlang,
die gesäumt ist von vielen gemütlichen, aber ausgestorbenen Strandbars, die
versuchen, sich gegenseitig mit ihrer Musik zu übertönen um die Handvoll
Touristen anzulocken, die sich im Winter noch an die Küste traut.
Plötzlich sehe ich ein mir sehr bekanntes Gesicht. Luis! Das
gibt’s doch nicht! Zwar hat mir Luis Samstag geschrieben, dass er auch nach
Puerto Lopez fahren würde, damit wir uns nochmal sehen... ich wäre aber nie im
Leben darauf gekommen, dass er das ernst meinte! Das ist schon lustig – da
hatte ich gerade Abschied von allen genommen und jetzt taucht Luis hier auf und
Alex, Lisa, Claudia und Severin sind sogar im gleichen Hostel wie wir!
Wir reden eine Weile und verabreden uns dann für später.
Als ich endlich vor einem funktionstüchtigen Computer sitze,
zittere vor Spannung. Und da sehe ich sie auch schon – die Zusage von
der Charité! Zunächst kann ich nur fassungslos auf den Bildschirm starren. Gut,
so unwahrscheinlich war das ja eigentlich nicht... Glauben kann ich es trotzdem
nicht. Zumal ich mir schon so häufig ausgemalt habe, wie es wäre, einfach für
ein Jahr in Südamerika zu bleiben, sollte es nicht klappen... Irgendwie kann
ich mich gar nicht richtig über die e-Mail freuen. Aber das ist ja auch alles
noch so weit weg von mir, sowohl räumlich als auch zeitlich. Oder?
Nachdem ich die Nachricht an meine Familie weitergeleitet
habe, gehen Marvin und ich an den Strand. Ich kaufe mir ein paar Schnüre und
beginne in einer Hängematte ein Armband zu knüpfen, was letzte Woche von
den Hippies gelernt habe. Ich fühle mich ganz benommen, was ich auf akuten
Schlafmangel zurückführe. Von der Bar her dröhnt mir Musik von den Gigantes del
Vallenato ins Ohr und eines der Lieder schwirrt mir noch Tage danach im Kopf
herum.
Abends gehen Marvin und ich zusammen mit Luis und seiner neuen deutschen Bekanntschaft Lisa in einen typischen Grillimbiss, wo wir wirklich gut für drei Dollar essen. Der gegrillte Thunfisch hier an der Küste schmeckt einfach fantastisch! Nach dem Essen kommt eine Fahrrad-Rikscha mit einem riesigen Topf Morocho vorbei. Blöderweise ist der Topf aber leer, was Lisa dazu veranlasst, die Reste mit einem Löffel auszukratzen, denn sie ist genauso süchtig nach diesem süßen Zeug wie ich. :-)
Die nächsten drei Tage verbringen Marvin und ich in erster
Linie damit, uns auszuschlafen und den Nationalpark Machalilla zu erkunden, der
von den Ecuadorianern auch „Galápagos para los pobres“ (Galápagos für die Armen)
genannt wird. Und das zu recht: Der Playa los Frailes und die vielen benachbarten
Buchten im Nationalpark erinnern stark an Fotos der berühmten Inseln. Mit drei
anderen Deutschen wandern wir durch den Nationalpark und gehen im Pazifik
schwimmen. Obwohl es nicht so warm und sonnig ist, tut das Bad in den salzigen
Wellen gut – bis ich plötzlich ein ungeheuer starkes Brennen in meinem linken
Arm spüre. Es ist so schlimm, dass ich um Hilfe rufe, weil ich befürchte
unterzugehen. Marvin stürmt ins Wasser, um mich zu retten, doch letztendlich
schaffe ich es doch noch allein an den Strand. Auf meinem Arm haben sich
Streifen aus roten Pusteln gebildet. Eine Qualle... Ein zweites Mal traue ich
mich nicht mehr ins Wasser.
Als wir um fünf wieder an der Hauptstraße stehen, will weit
und breit kein Bus zurück nach Puerto Lopez auftauchen. Wir treffen noch zwei
weitere Deutsche, die schließlich eine Camioneta (einen Pickup) anhalten, deren Fahrer uns auf die
Ladefläche steigen lässt. Dann beginnt die tollste Autofahrt meines Lebens – im
Stehen bei ca. 60 km/h. Es fühlt sich an, als würde ich fliegen!
Zum krönenden Abschluss unserer Tage an der Küste machen wir
am Donnerstag einen Ausflug auf die Isla de la Plata („Insel des Silbers“), die
übrigens so heißt, weil die Felsen dank des Vogelmists ein bisschen silbern
aussehen. Wir beobachten Blaufußtölpel und andere Vogelarten, die sonst nur auf
den Galápagos-Inseln beheimatet sind, Schildkröten und viele bunte Fische.
Während der einstündigen Bootsfahrt zur Insel springen zu dieser Jahreszeit
dazu häufig Wale aus dem Wasser und wenn man ganz viel Glück hat, sieht man
sogar Delfine. Wir sehen gleich einen ganzen Schwarm – kein Wunder bei der
ganzen Vogelscheiße...!
Fazit: Der einzige Unterschied zu einer Reise auf die
Galápagos-Inseln ist, dass wir ca. 1000 Dollar pro Nase sparen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen