16. August
Morgens um 4 Uhr komme ich nach Hause. Zumindest fühlt es
sich so an, als unser Nachtbus durch die altbekannten Hauptstraßen Quitos
fährt, vorbei am Parque El Ejido, der in der nächtlichen Stille so ausgestorben
wirkt ohne die Künstler, ohne die Akrobaten, ohne die Hippies.
Doch diesmal sind wir nur auf Durchreise. Vom Busbahnhof in
la Mariscal nehmen wir ein Taxi zum größten Busterminal im Süden Quitos, wo wir
endlich unseren heißbegehrten Morocho trinken, der in der morgendlichen
Müdigkeit allerdings eher schal schmeckt und nicht, wie ich ihn in Erinnerung
hatte. Irgendwie kann ich immer noch nicht so richtig glauben, dass diese für
die nächsten Monate – wenn nicht Jahre – meine letzten Minuten in der
ecuadorianischen Hauptstadt sind, die mir so ans Herz gewachsen ist.
Als wir im Morgengrauen im nächsten Bus Richtung Süden
sitzen, werde ich ganz melancholisch. Die unbeleuchteten, teilweise zerstörten
Häuser der ärmeren Stadtteile ziehen an uns vorbei wie tote Körper; die
Menschen an den Haltestelle wirken auf einmal ganz wehmütig, als wüssten sie,
wie ich mich fühle.
Nach einer insgesamt 18-stündigen Reise kommen wir
nachmittags ein wenig erschöpft in Quilotoa an – einer kleinen Hostelansammlung
in einer sehr ländlichen Gegend der Sierra Ecuadors. Bekannt ist dieser Fleck
Erde eigentlich nur für seine Lage direkt neben einer der bestimmt schönsten
Lagunen der Welt. Und genau diese wollen wir uns heute ansehen. Als wir endlich
aus dem Bus steigen, weht uns ein kalter, wohltuender Wind um die Nase. Gleichzeitig
ist die Sonne auf 4000 Metern Höhe so warm, dass ich meine Jacke ausziehe. Kaum
haben wir unsere monströsen Rucksäcke aus dem Kofferraum genommen, rümpft
Marvin die Nase – kein Wunder, auf unseren Rucksäcken ist irgendeine
essigartige Salatsauce ausgelaufen. Wir versuchen, sie so gut es geht mit
Klopapier abzuwischen, was leider nichts daran ändert, dass das sauer-muffige
Aroma auch noch Tage danach in unseren Schlafzimmern hängt.
Meine schlechte Stimmung ist zum Glück bald verflogen – spätestens
als ich mir endlich die grüne Alpaca-Jacke kaufe, die ich mir schon seit Wochen
wünsche, geht es mir wieder bestens. ;-)
Die Lagune selbst ist ein Traum. Unbeschreiblich. Sicher
eine der wundervollsten, außergewöhnlichsten Landschaften, die ich auf meinen
vielen Reisen gesehen habe. Das Wasser strahlt türkisblau im Sonnenschein, ein
Raubvogel gleitet durch den Vulkankrater. Die Szenerie strahlt eine
unglaubliche Stille aus und gleichzeitig auch Kraft. Auf der Wanderung zum
einsamen Strand, an dem ein paar Kajaks liegen, begegnen wir erst einem Mann
mit Eseln und dann einem Haufen Bauarbeiter in neonorange gekleidet, die einen
befestigten Weg für die Touristen anlegen. Ansonsten ist sind wir
mutterseelenallein. Erst als wir kurz vor Sonnenuntergang wieder hoch ins Dorf
laufen, treffen wir auf vier Ecuadorianer aus der Sierra, die kurioserweise
genauso mit der Höhe zu kämpfen haben wie wir.
Die heiße Dusche in unserem familiären Hostel ist ein Segen
– nicht nur, weil wir vor Anstrengung geschwitzt haben, sondern vor allem, weil
es mit der Abenddämmerung schlagartig kalt wird. Jetzt verstehe ich, warum auf
unserem Bett fünf Decken liegen, denn die ecuadorianische Bauweise mit ihrer
schlechten Isolation und Löchern im Holzboden schützt eher schlecht als recht
vor den nächtlichen Temperaturen von etwa 2-5°C.
Schon beim stärkenden Abendessen wickle ich mich in eine
Decke und trinke Zimt-Tee. Zusammen mit zwei englischsprachigen Männern sind
wir die einzigen Gäste. Nach dem Essen machen wir es uns noch eine Weile neben
dem Ofen bequem und reden mit den beiden Ecuadorianerinnen, die den Laden hier
in ihren Schulferien in Schwung bringen. Beide sind traditionell gekleidet mit
Lederhüten, Röcken und bunten Zopfbändern und sehr liebenswert.
Doch bald sind wir so erschöpft, dass wir nur noch uns in
unser Prinzessin-Auf-Der-Erbse-Bett kuscheln und schnell einschlafen.
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