Sonntag, 27. Oktober 2013

Quilotoa

16. August

Morgens um 4 Uhr komme ich nach Hause. Zumindest fühlt es sich so an, als unser Nachtbus durch die altbekannten Hauptstraßen Quitos fährt, vorbei am Parque El Ejido, der in der nächtlichen Stille so ausgestorben wirkt ohne die Künstler, ohne die Akrobaten, ohne die Hippies.
Doch diesmal sind wir nur auf Durchreise. Vom Busbahnhof in la Mariscal nehmen wir ein Taxi zum größten Busterminal im Süden Quitos, wo wir endlich unseren heißbegehrten Morocho trinken, der in der morgendlichen Müdigkeit allerdings eher schal schmeckt und nicht, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Irgendwie kann ich immer noch nicht so richtig glauben, dass diese für die nächsten Monate – wenn nicht Jahre – meine letzten Minuten in der ecuadorianischen Hauptstadt sind, die mir so ans Herz gewachsen ist.
Als wir im Morgengrauen im nächsten Bus Richtung Süden sitzen, werde ich ganz melancholisch. Die unbeleuchteten, teilweise zerstörten Häuser der ärmeren Stadtteile ziehen an uns vorbei wie tote Körper; die Menschen an den Haltestelle wirken auf einmal ganz wehmütig, als wüssten sie, wie ich mich fühle.

Nach einer insgesamt 18-stündigen Reise kommen wir nachmittags ein wenig erschöpft in Quilotoa an – einer kleinen Hostelansammlung in einer sehr ländlichen Gegend der Sierra Ecuadors. Bekannt ist dieser Fleck Erde eigentlich nur für seine Lage direkt neben einer der bestimmt schönsten Lagunen der Welt. Und genau diese wollen wir uns heute ansehen. Als wir endlich aus dem Bus steigen, weht uns ein kalter, wohltuender Wind um die Nase. Gleichzeitig ist die Sonne auf 4000 Metern Höhe so warm, dass ich meine Jacke ausziehe. Kaum haben wir unsere monströsen Rucksäcke aus dem Kofferraum genommen, rümpft Marvin die Nase – kein Wunder, auf unseren Rucksäcken ist irgendeine essigartige Salatsauce ausgelaufen. Wir versuchen, sie so gut es geht mit Klopapier abzuwischen, was leider nichts daran ändert, dass das sauer-muffige Aroma auch noch Tage danach in unseren Schlafzimmern hängt.
Meine schlechte Stimmung ist zum Glück bald verflogen – spätestens als ich mir endlich die grüne Alpaca-Jacke kaufe, die ich mir schon seit Wochen wünsche, geht es mir wieder bestens. ;-)
Die Lagune selbst ist ein Traum. Unbeschreiblich. Sicher eine der wundervollsten, außergewöhnlichsten Landschaften, die ich auf meinen vielen Reisen gesehen habe. Das Wasser strahlt türkisblau im Sonnenschein, ein Raubvogel gleitet durch den Vulkankrater. Die Szenerie strahlt eine unglaubliche Stille aus und gleichzeitig auch Kraft. Auf der Wanderung zum einsamen Strand, an dem ein paar Kajaks liegen, begegnen wir erst einem Mann mit Eseln und dann einem Haufen Bauarbeiter in neonorange gekleidet, die einen befestigten Weg für die Touristen anlegen. Ansonsten ist sind wir mutterseelenallein. Erst als wir kurz vor Sonnenuntergang wieder hoch ins Dorf laufen, treffen wir auf vier Ecuadorianer aus der Sierra, die kurioserweise genauso mit der Höhe zu kämpfen haben wie wir.
Die heiße Dusche in unserem familiären Hostel ist ein Segen – nicht nur, weil wir vor Anstrengung geschwitzt haben, sondern vor allem, weil es mit der Abenddämmerung schlagartig kalt wird. Jetzt verstehe ich, warum auf unserem Bett fünf Decken liegen, denn die ecuadorianische Bauweise mit ihrer schlechten Isolation und Löchern im Holzboden schützt eher schlecht als recht vor den nächtlichen Temperaturen von etwa 2-5°C.
Schon beim stärkenden Abendessen wickle ich mich in eine Decke und trinke Zimt-Tee. Zusammen mit zwei englischsprachigen Männern sind wir die einzigen Gäste. Nach dem Essen machen wir es uns noch eine Weile neben dem Ofen bequem und reden mit den beiden Ecuadorianerinnen, die den Laden hier in ihren Schulferien in Schwung bringen. Beide sind traditionell gekleidet mit Lederhüten, Röcken und bunten Zopfbändern und sehr liebenswert.
Doch bald sind wir so erschöpft, dass wir nur noch uns in unser Prinzessin-Auf-Der-Erbse-Bett kuscheln und schnell einschlafen.













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