1. September
Normalerweise klappt es wunderbar, ein Hostel 1-2 Tage im
Voraus zu reservieren. Nicht so in Huaraz. Erst nachdem wir von unserer Unterkunft
in Trujillo aus fünf weitere Hostels angerufen haben, finden wir endlich eine
Bleibe für zwei Nächte. Dabei ist Huaraz, wie wir am Sonntagmorgen feststellen
müssen, wohl eine der hässlichsten Kleinstädte, in denen wir je waren. Der Ort ist eine Großbaustelle im Andenpanorama – grau, mit aufgerissenen Straßen,
baufälligen Häusern, einem wirren Netz aus Kabeln, das sich vor den blauen
Himmel spinnt, und nach Pisse stinkenden Innenhöfen. Sie wirkt wie ein
Schmutzfleck in der weiß strahlenden Gebirgslandschaft der Cordillera Blanca.
Allerdings wird dieses Wochenende der Día de Santa Rosa
gefeiert, ein kirchlicher Feiertag, den sich offenbar halb Peru zum Anlass
genommen hat, mal in die Berge zu fahren.
Da es in Huaraz selbst nicht wirklich viel zu sehen gibt,
planen wir, gleich morgen früh zur Laguna Churup im Nationalpark zu wandern. Wir
nehmen auf den Rat des Inhabers unseres Hostels hin also einen Colectivo zum
Ausgangspunkt unserer Wanderung... na ja, nicht ganz – die Klapperkiste fährt
nämlich nur bis in ein Dorf, das etwa zwei Stunden Fußmarsch vom Eingang des Nationalparks
entfernt liegt.
Etwas ratlos stehen wir erst mal in besagtem Kuhkaff rum,
denn der Weg scheint doch weiter zu sein, als wir dachten. Außerdem ist es
schon kurz vor halb zwölf. Zum Glück läuft uns ein junger Mann über den Weg,
der uns spontan anbietet uns für ein kleines Taschengeld zu fahren. Die erdige
„Straße“ ist voller Löcher und wir kommen in einem Durchschnittstempo von nur 15km/h
voran.
Aber der Aufwand lohnt sich – die Wanderung ist trotz aller
Anstrengung phantastisch! Es geht steil bergauf durch die trockene goldgelbe
Landschaft, hie und da wächst ein Blümchen und wir hören Bäche aus
Schmelzwasser plätschern. Das letzte Stück zur Lagune lässt sich nur noch
mithilfe von Drahtseilen kletternd bewältigen. Vor uns breitet sich ein Becken
grünblauen Wassers aus, eingerahmt von weiteren Gipfeln, der höchste von ihnen
mit Schnee bedeckt. Am liebsten würde ich trotz der körperlichen Strapazen in
einer Höhe von fast 4500m den sich vor uns aufbäumenden Berg noch erklimmen. In
Betracht der Tatsache, dass es bereits Nachmittag ist und wir keinen Bergführer
haben, kommt das natürlich nicht infrage. Außerdem hat Marvin Kopfschmerzen,
die beständig stärker werden.
Nach einer kleinen Stärkung wandern wir die 600hm also
wieder nach unten. Inzwischen hat sich der Himmel zugezogen und der Wind
frischt auf. Es donnert und beginnt in Strömen zu regnen. Zumindest im Tal. Der
Regen zieht sich wie ein Schleier zwischen den benachbarten Bergen entlang,
doch wir bleiben trocken und sogar die Sonne zeigt sich. Es ist, als bewegten
wir uns vor einer riesigen Leinwand.
Als wir nach der langen Fahrt zurück nach Huaraz wieder im
Hostel ankommen, hat Marvin Schüttelfrost und wickelt sich in alle warmen
Sachen, die wir dabei haben. Außerdem messe ich bei ihm 38,5°C Fieber. Höhenkrankheit,
Soroche, wie sie die Einheimischen nennen. Ich gebe ihm ein paar Tropfen gegen
Übelkeit und Kopfschmerzen und gehe im Supermarkt Nudeln kaufen, obwohl ich
selbst sichtlich erschöpft bin. Ich bin so froh, dass mir diese blöde Krankheit
weitestgehend erspart geblieben ist. Zwar geht Marvins Fieber schnell wieder
weg, trotzdem ist es wohl besser, dass wir morgen früh wieder an die Küste
fahren.
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