Samstag, 29. Juni 2013

"Reisen ist, in jedem Augenblick geboren werden und sterben." - Victor Hugo

Heute ist mein dritter Tag hier und ich fühle mich jetzt schon wie neugeboren. Ich bin irgendwie... lockerer.  Vorgestern bin ich das erste Mal in der Sprachschule gewesen und habe eine Führung durch das touristische Viertel Mariscal bekommen, neben dem ich wohne. Momentan ist Mariscal eine große Baustelle, denn der Kabelsalat,  der sich wie schwarze Spaghetti über den Straßen entlang zieht,  soll bald unter die Erde gebracht werden. Mariscal besteht ansonsten hauptsächlich aus Restaurants und Bars, in Genuss letzterer bin ich am sogar noch am gleichen Abend gekommen. Nachmittags habe ich mit Gabriel zur Stärkung vor meiner ersten Salsastunde in einer Bäckerei eine Zimtschnecke gekauft.  Bis auf die Tatsache, dass man sich in ecuadorianischen Bäckerein selbst bedient,  sind sie den deutschen - abgesehen davon,  dass es kein Graubrot gibt - erstaunlich ähnlich. In der Salsastunde habe ich mit Severin getanzt, einem Schweizer, der im gleichen "Spital", wie er sagt,  arbeitet wie ich.  Es hat unglaublich viel Spaß gemacht,  sodass ich sofort zur Salsa-Party am gleichen Abend zugesagt habe. In der Sprachschule und beim Salsa habe ich schon so viele Leute kennengelernt,  dass ich die Namen absolut nicht mehr beisammen bekomme. Die meisten sind Deutsche, was dazu führt, dass sich in mein durch das viele Englisch Sprechen bedingte Spenglish noch ein bisschen deutsche Grammatik mischt. Das ist vielleicht confusing! However, ich hatte abends viel Spaß mit Lisa, Mona, Conny, Johannes und Gabriel in der "Safari-Bar" und habe dort gleich meinen guten Vorsatz verletzt,  hier keinen Alkohol zu trinken.  Die Caipis sahen einfach so verlockend aus! Und was noch viel cooler war: Wir durften sie mit dem Barkeeper zusammen mixen! Dank meines leichten Schwipps habe ich mich das erste Mal seit Langem richtig fallen lassen und neue Salsa-Figuren so schnell gelernt, als läge es mir im Blut. Seither denken alle,  ich sei eine richtig gute Tänzerin. Wer mich länger kennt, weiß,  dass das eigentlich absolut nicht zutrifft! Wir hatten so viel Spaß,  dass wir gar nicht merkten, dass es schon nach Mitternacht war.
Leider wurde ich schon um 6:20 Uhr wieder geweckt, weil ich direkt neben der Garage schlafe. Die Autos hier sind einfach viel lauter und die Abgase meistens tiefschwarz. Dafür hatte ich im Gegensatz zum Vortag eine heiße Dusche (das Gas wurde nachgefüllt), wenn auch mit poco agua. Gabriel und ich nutzen den Morgen für eine ausführliche Shoppingtour auf dem Mercado Artesanal, die wie folgt aussah: Gabe wollte Mitbringsel für seine Schwestern und Eltern und einen Pullover kaufen und ich wollte einfach nur ein bisschen stöbern; nach den anderthalb Stunden,  die wir da waren, war ich stolze Besitzerin von vier neuen Ohrringen, einem Kleid, einem Massagestab und einer Panflöte, während Gabe sich lediglich eine Liste geschrieben hatte,  was er demnächst noch kaufen könnte. Manchmal geht der Sammler-Instinkt eben mit mir durch...
Por la tarde war ich mit zwei weiteren deutschen Mädchen aus der Sprachschule (Lisa Nr. 2 und Claudia) in einem riesigen Park,  danach habe ich - überraschenderweise, weil das Haus jetzt eigentlich voll ist - eine weitere Mitbewohnerin bekommen: Stina aus Norwegen.  Wir verstehen uns hier alle so super, dass ich wünschte, ich könnte die Zeit anhalten.
Die wohl außergewöhnlichste Erfahrung bisher habe ich heute gemacht: Heute Morgen habe ich mich mit meiner Spanischlehrerin, die zufällig nur einen Tag nach mir hier angekommen ist, getroffen und bin mit ihr, ihren Brüdern und ihrer Tochter zu einem Markt gefahren,  der wirklich typisch ecuadorisch war. Wir haben Krebse gekauft,  die hier als teure Spezialität gelten und bei meiner Spanischlehrerin zu Hause gemeinsam gekocht und gegessen. Erst hatte ich wirklich verdammt Angst vor den Scheren, aber schon bald habe ich genauso selbstverständlich lebendige Krebse geschrubbt wie die Familie. Dazu war ich wirklich überrascht, dass ich es geschafft habe, die Dinger mit Appetit zu essen, denn normalerweise wird mir schlecht, wenn ich Krebse auch nur sehe. Aber sie waren más ricos!
Irgendwie fühle ich mich hier so befreit.  Befreit von Zwängen,  die ich mir im Grunde selbst aufdiktiert habe. Befreit von Angst. Und von Ekel. Ich frage mich, warum. Nein, eigentlich nicht. Ich bin einfach glücklich. 















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