24. August
Nach einer weiteren, diesmal unfreiwilligen Übernachtung in
Baños geht es heute weiter nach Cuenca. Unfreiwillig deshalb, weil wir
eigentlich schon gestern in der Stadt mit den schönsten Kolonialbauten Ecuadors
ankommen wollten. Blöderweise gibt es aber keine vernünftige Busverbindung
zwischen Tena und Cuenca. Also haben wir heute Morgen nochmal Brombeersaft und
Miniempanadas an unseren Lieblingsständen in der Markthalle von Baños gekauft
und uns damit für die achtstündige Busfahrt gestärkt. In Riobamba müssen wir
mittags umsteigen, aber leider ist der Anschlussbus ausgebucht und wir sitzen
schon wieder fest. Doch diesmal zum Glück nur zwei Stunden. Das Warten lohnt
sich: Die folgende Busroute ist eine der wohl schönsten in Ecuador. Sie führt
durch beeindruckende Felslandschaften mit kleinen Dörfchen, die nur aus Kirchen
zu bestehen scheinen. Zwei Stunden vor Cuenca wird das staubige Grau
schlagartig zu einem saftigen Grün mit grasenden Kühen auf runden Hügeln. Erst
bei Sonnenuntergang sehen wir die Umrisse der Stadt, die auch in Westeuropa
liegen könnte, so gepflegt und reich wie sie aussieht.
Gegen 19 Uhr befinden wir uns mitten im Centro Histórico,
das mit seinen vielen Häusern im Barockstil und der Kathedrale sicher eine der
schönsten Altstädte ist, in denen ich je war. Und: Nirgendwo in Ecuador habe
ich mich so sicher gefühlt wie hier! Das einzige Problem: Wir haben noch keine
Unterkunft. Also quatschen wir ein paar Touristen auf der Straße an, die sich
als kolumbianische Hippies entpuppen. Das junge Paar reist mit seinem ungefähr
12-jährigen Sohn und verdient das nötige Geld dazu durch den Verkauf von Torten
und (natürlich!) auch durch Kunsthandwerk. Die Hippies kennen ein gutes Hostel,
“muy económico“, wie sie sagen, in der Nähe und laufen mit uns zusammen hin.
Die Perla Cuencana ist ein Geheimtipp für Reisende mit kleinem Budget. Wir
bekommen ein Fünferzimmer für uns allein und bezahlen nur 5 Dollar pro Person.
Das W-LAN funktioniert einwandfrei und das Wasser ist herrlich warm. Und das
Beste: Von der Dachterrasse aus haben wir einen wundervollen Blick auf die
beleuchteten Kuppeln der Kathedrale. Unglaublich!
Da wir das ecuadorianische Almuerzo – bestehend aus einer
Vorsuppe und Hühnchen oder Fleisch (ja, wirklich: “pollo o carne“!), Reis und
Linsen – so langsam wirklich satt haben, gehen wir heute arabisch essen. Als
wir gehen wollen, regnet es in Strömen, also beschließen wir, in der Bar
nebenan einen Cocktail zu trinken. Wir bestellen zu zweit eine Kanne Caipi.
Kurz darauf kommt die Kellnerin zurück und sagt, sie habe keinen Cachaça. Na
schön. Wir studieren die Cocktailkarte weiter, doch letztendlich stellt sich
heraus, dass es nur Cuba Libre und Mojito gibt, weil alle Basisspirituosen
außer Rum leider aus sind. Wir entscheiden uns für den Mojito, in dem dann auch
nichts anderes drin ist, als Rum, Minzblätter, ein kleines bisschen
Leitungswasser und noch weniger Zitrone. Nach zwei Schlucken ist mir schon
schwindlig und wir lassen den Rest lieber stehen.
Stattdessen versuchen wir uns in einer anderen Bar lieber an
einer typisch ecuadorianischen Spezialität: Canelazo – ein heißes Getränk, das
an Apfelglühwein erinnert, aber aus Naranjillasaft, Zimt, Nelken und
Zuckerrohr-Aguardiente besteht. Passt ja auch viel besser zum kalten
verregneten Wetter! :-)
Ziemlich angetrunken falle ich gegen 23 Uhr ins Bett. Als
Marvin sich auch hinlegt, hören wir ein lautes Knacken – eine Latte vom Rost
hat sich leider gerade verabschiedet. Wir legen uns in eines der anderen
Betten. Spätestens nach 5 Minuten haben wir auch davon die Nase voll, denn die
Federn aus der Matratze bohren sich in unsere Rücken. „Typisch Sozialismus –
alle bekommen etwas, was zwar eine Macke hat, aber so ein bisschen
funktioniert“, sagt Marvin und ich lache. Kapitalistisch wie wir sind, tauschen
wir die Matratzen der beiden Betten aus... und schlafen beim beruhigenden
Trommeln der Regentropfen auch sehr bald ein.
Am nächsten Vormittag machen wir nach einem ausgiebigen
Frühstück in der Panadería um die Ecke erst mal eine Stadtrundfahrt, denn
Cuenca hat immerhin ungefähr so viele Einwohner wie Bremen. Dabei lernen wir
eine deutsche Familie kennen, die zwar schon seit zwei Wochen in Ecuador ist,
sich aber bisher nicht getraut hat, in einem Markt zu essen und auch sämtliche
ecuadorianische Spezialitäten nicht kennt. Als ich von Morocho, Colada Morada,
Empanadas, Cuy und Co. erzähle, holen sie erst mal ihre Kamera raus und filmen
mich, damit sie sich das alles merken können. Ihre Tochter nörgelt rum, dass
sie lieber zu Subway möchte, es ist also eher fraglich, ob meine
Lokal-Guide-Aktivitäten zu etwas führen...
Cuenca ist wirklich eine tolle Stadt. Besonders gut gefallen
mir der Blumenmarkt bei der Kathedrale und all die schön begrünten Plätze. Das
einzige Problem sind die Stromkabel, die über den Straßen hängen. Unser
Doppeldeckerbus nimmt gleich eines von ihnen mit und wir müssen uns an fast
jeder Kreuzung ducken...
Auch hier besuchen wir regelmäßig die Markthalle. Das wohl
skurrilste Erlebnis hatten wir mit einem ecuadorianischen Händler, der uns
eigentlich Scheren und Nähzeugs verkaufen möchte:
“¿Tijeras?“
“No, gracias“
“¿Neceser de costura?“
“¡No gracias!“
“¿¿Elvis Priislii??“
Er grinst und zeigt dabei seine schiefen Zähne und zieht
einen Haufen kleiner Elvis-Presley-Puppen hervor, die hin und her wackeln wie
Wackeldackel. Ich bin völlig verdutzt. Und sprachlos. Später bereue ich, keine
dieser Puppen gekauft zu haben. Die Situation war einfach zu komisch.
Blumenmarkt |
ecuadorianischer Spielplatz - um Einiges gepflegter als in Deutschland! |
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