Dienstag, 26. November 2013

Cuenca

24. August

Nach einer weiteren, diesmal unfreiwilligen Übernachtung in Baños geht es heute weiter nach Cuenca. Unfreiwillig deshalb, weil wir eigentlich schon gestern in der Stadt mit den schönsten Kolonialbauten Ecuadors ankommen wollten. Blöderweise gibt es aber keine vernünftige Busverbindung zwischen Tena und Cuenca. Also haben wir heute Morgen nochmal Brombeersaft und Miniempanadas an unseren Lieblingsständen in der Markthalle von Baños gekauft und uns damit für die achtstündige Busfahrt gestärkt. In Riobamba müssen wir mittags umsteigen, aber leider ist der Anschlussbus ausgebucht und wir sitzen schon wieder fest. Doch diesmal zum Glück nur zwei Stunden. Das Warten lohnt sich: Die folgende Busroute ist eine der wohl schönsten in Ecuador. Sie führt durch beeindruckende Felslandschaften mit kleinen Dörfchen, die nur aus Kirchen zu bestehen scheinen. Zwei Stunden vor Cuenca wird das staubige Grau schlagartig zu einem saftigen Grün mit grasenden Kühen auf runden Hügeln. Erst bei Sonnenuntergang sehen wir die Umrisse der Stadt, die auch in Westeuropa liegen könnte, so gepflegt und reich wie sie aussieht.

Gegen 19 Uhr befinden wir uns mitten im Centro Histórico, das mit seinen vielen Häusern im Barockstil und der Kathedrale sicher eine der schönsten Altstädte ist, in denen ich je war. Und: Nirgendwo in Ecuador habe ich mich so sicher gefühlt wie hier! Das einzige Problem: Wir haben noch keine Unterkunft. Also quatschen wir ein paar Touristen auf der Straße an, die sich als kolumbianische Hippies entpuppen. Das junge Paar reist mit seinem ungefähr 12-jährigen Sohn und verdient das nötige Geld dazu durch den Verkauf von Torten und (natürlich!) auch durch Kunsthandwerk. Die Hippies kennen ein gutes Hostel, “muy económico“, wie sie sagen, in der Nähe und laufen mit uns zusammen hin. Die Perla Cuencana ist ein Geheimtipp für Reisende mit kleinem Budget. Wir bekommen ein Fünferzimmer für uns allein und bezahlen nur 5 Dollar pro Person. Das W-LAN funktioniert einwandfrei und das Wasser ist herrlich warm. Und das Beste: Von der Dachterrasse aus haben wir einen wundervollen Blick auf die beleuchteten Kuppeln der Kathedrale. Unglaublich!

Da wir das ecuadorianische Almuerzo – bestehend aus einer Vorsuppe und Hühnchen oder Fleisch (ja, wirklich: “pollo o carne“!), Reis und Linsen – so langsam wirklich satt haben, gehen wir heute arabisch essen. Als wir gehen wollen, regnet es in Strömen, also beschließen wir, in der Bar nebenan einen Cocktail zu trinken. Wir bestellen zu zweit eine Kanne Caipi. Kurz darauf kommt die Kellnerin zurück und sagt, sie habe keinen Cachaça. Na schön. Wir studieren die Cocktailkarte weiter, doch letztendlich stellt sich heraus, dass es nur Cuba Libre und Mojito gibt, weil alle Basisspirituosen außer Rum leider aus sind. Wir entscheiden uns für den Mojito, in dem dann auch nichts anderes drin ist, als Rum, Minzblätter, ein kleines bisschen Leitungswasser und noch weniger Zitrone. Nach zwei Schlucken ist mir schon schwindlig und wir lassen den Rest lieber stehen.
Stattdessen versuchen wir uns in einer anderen Bar lieber an einer typisch ecuadorianischen Spezialität: Canelazo – ein heißes Getränk, das an Apfelglühwein erinnert, aber aus Naranjillasaft, Zimt, Nelken und Zuckerrohr-Aguardiente besteht. Passt ja auch viel besser zum kalten verregneten Wetter! :-)

Ziemlich angetrunken falle ich gegen 23 Uhr ins Bett. Als Marvin sich auch hinlegt, hören wir ein lautes Knacken – eine Latte vom Rost hat sich leider gerade verabschiedet. Wir legen uns in eines der anderen Betten. Spätestens nach 5 Minuten haben wir auch davon die Nase voll, denn die Federn aus der Matratze bohren sich in unsere Rücken. „Typisch Sozialismus – alle bekommen etwas, was zwar eine Macke hat, aber so ein bisschen funktioniert“, sagt Marvin und ich lache. Kapitalistisch wie wir sind, tauschen wir die Matratzen der beiden Betten aus... und schlafen beim beruhigenden Trommeln der Regentropfen auch sehr bald ein.

Am nächsten Vormittag machen wir nach einem ausgiebigen Frühstück in der Panadería um die Ecke erst mal eine Stadtrundfahrt, denn Cuenca hat immerhin ungefähr so viele Einwohner wie Bremen. Dabei lernen wir eine deutsche Familie kennen, die zwar schon seit zwei Wochen in Ecuador ist, sich aber bisher nicht getraut hat, in einem Markt zu essen und auch sämtliche ecuadorianische Spezialitäten nicht kennt. Als ich von Morocho, Colada Morada, Empanadas, Cuy und Co. erzähle, holen sie erst mal ihre Kamera raus und filmen mich, damit sie sich das alles merken können. Ihre Tochter nörgelt rum, dass sie lieber zu Subway möchte, es ist also eher fraglich, ob meine Lokal-Guide-Aktivitäten zu etwas führen...

Cuenca ist wirklich eine tolle Stadt. Besonders gut gefallen mir der Blumenmarkt bei der Kathedrale und all die schön begrünten Plätze. Das einzige Problem sind die Stromkabel, die über den Straßen hängen. Unser Doppeldeckerbus nimmt gleich eines von ihnen mit und wir müssen uns an fast jeder Kreuzung ducken...
Auch hier besuchen wir regelmäßig die Markthalle. Das wohl skurrilste Erlebnis hatten wir mit einem ecuadorianischen Händler, der uns eigentlich Scheren und Nähzeugs verkaufen möchte:
“¿Tijeras?“
“No, gracias“
“¿Neceser de costura?“
“¡No gracias!“
“¿¿Elvis Priislii??“
Er grinst und zeigt dabei seine schiefen Zähne und zieht einen Haufen kleiner Elvis-Presley-Puppen hervor, die hin und her wackeln wie Wackeldackel. Ich bin völlig verdutzt. Und sprachlos. Später bereue ich, keine dieser Puppen gekauft zu haben. Die Situation war einfach zu komisch.












Blumenmarkt




ecuadorianischer Spielplatz - um Einiges gepflegter als in Deutschland!

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