Eigentlich habe ich schon lange davon geträumt, nach dem
Abitur für eine längere Zeit ins Ausland zu gehen. Das Fremdartige und Exotische
hat mich schon immer anzogen und seit Jahren bin ich mit meinen Eltern (und
auch allein) in Länder wie Südafrika, Indien, Thailand, Indonesien, die
USA und China gereist. Am reizvollsten fand ich stets die Erfahrungen, die mir
einen tieferen Einblick in andere Lebenswelten und Mentalitäten verschafft
haben.
Leider erhält man auf Busgruppenreisen, auf denen alle
Touri-Highlights und „kulturellen Höhepunkte“ eines Landes abgeklappert werden,
von ebendiesen Erfahrungen herzlich wenige. Für mich stand schon lange fest:
Irgendwann möchte ich wirklich mal ein nicht-europäisches (oder -angloamerikanisches) Land kennenlernen. Seine Einwohner kennenlernen und damit meine ich nicht nur
seine Angestellten der Tourismusbranche. Ihre Kultur und Mentalität erleben,
nicht nur kulturelle Sehenswürdigkeiten und für Touristen zurechtgeschnittene
Kultur-Shows besuchen, die so authentisch sind wie dirndeltragende
Bierzeltkellnerinnen auf dem hannoverschen Oktoberfest.
Eine zündende Idee hat mir allerdings gefehlt.
In der zehnten Klasse lernte ich dann Ana kennen, eine
Austauschschülerin aus Kolumbien, die ein Jahr lang in meiner Straße wohnte.
Ana erzählte mir viel von ihrer Heimat und da ich noch nie in Südamerika war,
machte mich das wahnsinnig neugierig auf mehr. Im gleichen Jahr begann ich,
Spanisch zu lernen. Meine Spanischlehrerin ist Ecuadorianerin und schwärmt
ebenfalls häufig nostalgisch von ihrem Land. Sie ist erst seit knapp 15
Jahren in Deutschland, was man nicht nur an ihrem Dialekt sondern
erstaunlicherweise auch an durch die andere Mentalität bedingten
Missverständnissen erkennt. In meinen drei Jahren Spanischunterricht musste ich
also des Öfteren ganz anders denken, als ich das gewöhnt war, um bestimmte
Aufgaben lösen zu können. Das hat meinen Horizont erweitert und mich auch
häufig meine eigene norddeutsch-kühle, pessimistisch angehauchte Einstellung
zum Leben hinterfragen lassen.
Wir sollten im Spanisch-Unterricht einmal einen Reisebericht
zu unserer imaginären Reise nach Ecuador schreiben. Das war das erste Mal, dass
ich mich intensiver mit diesem kleinen Land am Äquator auseinandergesetzt habe.
Dem Land mit der angeblich zweitgrößten Artenvielfalt in Flora und Fauna
weltweit. Dem Land, das schon Alexander von Humboldt um 1800 bereist und
bestaunt hat. Dem Land mit dem höchsten aktiven Vulkan der Welt, dem Cotopaxi.
Dem Land, das die Galápagos-Inseln beheimatet.
Mein Reisebericht, laut welchem
ich die Gassen Quitos in lauer Abendstimmung erkundet, in den heißen Quellen von
Baños gebadet und
an der Schneegrenze des Cotopaxi übernachtet hatte, sollte eine
selbsterfüllende Prophezeiung werden.
Vor einigen Monaten wurde dem Abi-Buch-Gestaltungskomitee meines
Jahrgangs fälschlicherweise ein Katalog von der Organisation Praktikawelten
zugeschickt. Auslandspraktika und Freiwilligenarbeit weltweit. Als ich den
Katalog aufschlug, landete ich zufälligerweise in Ecuador – bei einem
Humanmedizinpraktikum... Wie heißt es so schön – unverhofft kommt oft!
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